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So können Pflegeeinrichtungen mit dem Helfersyndrom umgehen

Denkt man die Systematik des Helfersyndroms fertig, dann fußen viele Durchhalteparolen in Anbetracht des Mangels in der Pflege auf organisationalen Strukturen, die das Helfersyndrom der Einzelnen befeuern. Und die Einzelnen mit Helfersyndrom sind ja nicht wenige. So leiden nicht nur die Betroffenen unter der permanenten Überbelastung, sondern auch die Einrichtung. Besonders oft die Bewohner*innen, denn in diesem Konstrukt – Helfer mit Syndrom und Hilfsbedürftiger – ergibt sich eine giftige Mischung, die in einen ungünstigen Teufelskreis endet. Pflegeeinrichtungen sollten in Anbetracht neuer Wege wie beispielsweise New Work auch die psychische Gesundheit und Entwicklung der Belegschaft im Blick haben und in diesem wundervollen Bereich der Altenhilfe das Helfen wieder zu einer selbstlosen Tugend machen.

Das Helfersyndrom in der Organisation

Das Helfersyndrom ist in care-Berufen sehr weit verbreitet. Denn die Hilfsbedürftigkeit der einen zieht ja das unbändige Helfenwollen der anderen förmlich magisch an. Dies zeigt sich auch darin, dass Pflegekräfte zumeist davon sprechen, dass man berufen sein muss. Doch Mitarbeiter mit einen Helfersyndrom machen nicht einfach bloß ein paar Überstunden mehr. Eher sind sie vom Helfen so stark getrieben, dass sie mit der Zeit alles aufgeben – am Ende sogar sich selbst. Betroffene zerstören unbewusst ihre Gesundheit und ihre sozialen Beziehungen, gefährden ganze Teams und zerstören die Selbstbestimmung der Pflegebedürftigen. Die zunehmende Fokussierung im Rahmen des betrieblichen Gesundheitsmanagements auf das Thema Stressreduktion ist aus meiner Sicht viel zur kurz gedacht und greift ja auch nicht wirklich, wenn wir ehrlich sind. Der Mitarbeiter mit Helfersyndrom wird diese Angebote nicht nutzen, weil er es insgeheim für „Quatsch“ hält. Er ist es sich nicht wert. Und es ist ja nicht der Stress. Es sind die schlechten Bedingungen. So die viel gehörten Argumente.

Doch will die Einrichtung aus dem Sprachrohr der ständigen Überbelastung aussteigen, sollte sie auch das Helfersyndrom im Blick haben und eine Kultur aufbauen, die das nicht mehr befeuert sondern hilft zu mildern. Das wäre zutiefst menschlich. Damit wäre allen geholfen.

Weitere Erläuterungen über das Helfersyndrom finden sie in meinem Fachartikel hier.

Der Mangel in den Einrichtungen verstärkt das Helfersyndrom

Viele Beschäftigte mit Helfersyndrom bemerken schon, dass ihre Kräfte schwinden. Sie kommen kraftlos und antriebsgemindert zum Dienst, meistens auch mit Krankheitssymptomen. Sie wundern sich nicht darüber, denn es gibt immer etwas, was schuld an dieser Dauererschöpfung ist. Zu wenig Personal, zu viele faule Kollegen, die anstrengenden Kinder zu Hause, die Schwiegermutter und der Bundesgesundheitsminister. Auch die schlechte Leitung der Einrichtung, die sowieso keine Ahnung von dem hat, „was wirklich abgeht“. Sie sind gegen Unterstützungs- und Entlastungsangebote immun. Gespräche laufen auf die ständig selbe Weise ab: „Vielen Dank für das Angebote! JA, ABER…“

Begünstigende Faktoren für eine Helfersucht fördernde Arbeitsumgebung:

Viel Verantwortung Beschäftigte mit einem Helfersyndrom haben gleichzeitig die Neigung zum Perfektionismus. Je mehr Verantwortung übernommen wird, desto mehr werden destruktive Muster des Perfektionisten angesprochen.

Hoher Arbeitsdruck Zum eigenen inneren Getrieben sein kommt nun auch noch der hohe Arbeitsdruck von außen. Das ist besonders toxisch. .

Normalisierung von Gesetzesbrüchen Das Arbeitszeitgesetz soll eigentlich vor Ausbeutung schützen, kann aber auch nützlich sein, die Entgrenzung des Mitarbeiters in Schach zu halten. Und trotz Betriebsräten und Dienstplanprogrammen mit Warnhinweis, wird dieses immer noch sehr oft nicht umgesetzt.

Eine wenig bewusste Haltung von Führungskräften Wenn Führungskräfte insgeheim den Druck aufrecht erhalten, jeder müsse alles geben, um den Betrieb zu sichern, der verschiebt die Verantwortung auf die Schultern der Schwächsten in dieser Rangordnung. Mitarbeiter werden so zum Objekt gemacht, das System aufrecht zu erhalten.

Die Folgen des Helfersyndroms für die Einrichtung

Die Fehlzeiten von Mitarbeitern mit einem Helfersyndrom fallen zunächst kaum ins Gewicht. Sie kommen quasi immer arbeiten. Auch mit dem berühmt berüchtigten „Kopf unter dem Arm“. Und zunächst sind alle dankbar, erspart es eine Menge unangenehmen Mehraufwand für Ersatz zu sorgen. Auf Dauer führt das Helfersyndrom jedoch zu sehr langen Ausfallzeiten mit Diagnosen wie Burnout oder Depressionen. Meistens auch mit der Konsequenz, dass diese Mitarbeiter nicht mehr an den Arbeitsplatz zurück kehren.

Konflikte im Team sind vorprogrammiert. Der bei Menschen mit Helfersyndrom über proportionierte Antreiber der Perfektion führt dazu, dass diese Mitarbeiter ständig die Kollegen kontrollieren und kommandieren. Auch Mobbing ist ein großes Thema, weil die Pflegekräfte mit Helfersyndrom ungefragt und in dem Sinne übergriffig anderen helfen und dafür die große Bühne erwarten. Stellt sich diese nicht ein, kann es sehr verletzend werden.

Pflegekräfte definieren sich ihre Aufgaben so, dass sie ihre Tätigkeiten für Fürsorge halten. Eine Fürsorge für Menschen, die aus der Sicht der betroffenen Pflegekräfte unfähig sind, für sich selbst verantwortlich zu sein. Bewohner*innen werden für unfähig gehalten und auch folgerichtig auch faktisch unfähig gemacht, ihre Bedürfnisse auszudrücken und eigenständig zu bestimmen, an welchen Stellen sie Hilfe von außen benötigen und erfragen. Bewohner*innen erleben diese Form von Fürsorge als entwürdigend, demütigend und erniedrigend. Ihr Selbstwert bröckelt zunehmend. Das lautstarke und kämpferische Wehre der Bewohner*innen wird als unangepasst gewertet und als psychisch auffällig abgestempelt. So nimmt der körperliche und seelische „Zerfall“ der Bewohner*innen sehr schnell Fahrt auf und die Pflegebedürftigkeit nimmt nach einem Einzug in eine stationäre Pflegeeinrichtung oft dramatisch zu. Das wiederum befeuert die übermäßige Fürsorge der Pflegekraft mit Helfersyndrom. Ein Teufelskreis.

Was können Arbeitgeber jetzt tun

Es ist an der Zeit, dass es Arbeitgeber gibt, die die Zündschnur des Pflegenotstandes mal am anderen Ende anfassen: Bei den Mitarbeitern. Arbeitgeber könnten ihre Verantwortung ernst nehmen und aktiv gegen die beschriebenen Psychodynamiken vorgehen.

  1. Erfassen sie den Stand in ihrer Einrichtung
    Gehen sie in eine ergebnisoffene Kommunikation mit den Mitarbeitern. Stellen sie schlaue Fragen. Sind sie offen für die Ergebnisse. Starten sie eine Mitarbeiterbefragung zum Thema oder nutzen sie die Gefährdungsbeurteilung der BGW.
  2. Nehmen sie Führungskräfte in den Fokus
    Führungskräfte leben Haltungen und Verhaltensweisen vor. Sie haben einen sehr großen Einfluss auf die Mitarbeiter. Zudem sind in der Altenpflege sehr oft Menschen in einer Führungsverantwortung, die sich in der Vergangenheit besonders gut aufgeopfert haben. Sie sollten daher zunächst in den Fokus rücken. Holen sie der Führungskraft einen Coach an die Seite, führen sie regelmäßig Reflexionsgespräche.
  3. Sensibilisieren sie alle Mitarbeitenden Organisieren sie Schulungen und Sensibilisierungsmaßnahmen, um ihre Mitarbeiter über das Helfersyndrom aufzuklären und gesunde Grenzen zu fördern.
  4. Bieten sie Unterstützungsangebote an Ein wesentlicher Bestandteil sind Unterstützungsangebote für die Mitarbeiter, um die individuelle Situation des Einzelnen zu berücksichtigen. Bieten sie mit externer Unterstützung psychosoziale Beratungsgespräche an. Ich halte auch die Einrichtung von kollegialen Beratungsgruppen für sehr hilfreich. Haben sie Fragen zu Unterstützungsangeboten oder möchten sie wissen, welche Angebote für ihre Einrichtung passend sind, melden sie sich bei mir. Wir können unverbindlich bis zu zwei Stunden auf Tuchfühlung gehen, um zu sehen, ob ich ein passender Match wäre oder ob andere Angebote für sie zielführender sind.
  5. Klare Kommunikation und Erwartungen Es ist wichtig, klare Kommunikation und Erwartungen bezüglich der Arbeitsbelastung und Verantwortlichkeiten zu haben, um Überlastung zu vermeiden.
  6. Finden sie gemeinsam einen Konsens. Finden sie mit allen Beschäftigten aller Ebenen einen Konsens für gesundes Arbeiten in der Pflegeeinrichtung. Erarbeiten sie gemeinsam Richtlinien, die für alle gelten. Wie soll mit Pausen, Urlaub und Krankheit umgegangen werden? Welche Haltungen sind notwendig? Und welches Verhalten erwächst daraus? Bedenken sie, dass es nicht um Macht geht. Nehmen sie alle mit und denken sie daran, dass der Konsens „der KLEINSTE gemeinsame Nenner“ ist. Nehmen sie die Richtlinien ernst. Sie kommen gleich nach dem Pflegeleitbild.
  7. Und reden sie, reden sie, reden sie. Gleichermaßen hören sie zu. Gehen sie in einen echten Kontakt und finden sie heraus, welche gute tragende Kraft Mitarbeiter entwickeln können, wenn sie nicht hilflos helfen.

Fazit

Menschen mit einem Helfersyndrom haben keinen Fehler. Die Herausforderung ist, dass die unbewusste Ziele der Systematik des Helfens den Betroffenen in seiner Existenz sichert. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass jede Belehrung und von außen angetragener Veränderungswunsch abgeschmettert wird. Daher geht der Weg nur über den eigenen, intrinsischen Antrieb. Es erfordert Mut und Übungen Veränderungen vorzunehmen und nachhaltig zu integrieren.

Gleichzeitig können Arbeitgeber für eine gesundheitsfördernde Arbeitsumgebung sorgen. Sie können das Thema Helfersyndrom bewusst machen und alle Ebenen dafür sensibilisieren. Darüber hinaus können sie Unterstützungsangebote organisieren, die dem Betroffenen helfen einen guten Umgang mit den Herausforderungen zu finden.

Sollten sie dabei Unterstützung wünschen treten sie gern in Kontakt mit mir. Mit über 30 Jahren Erfahrung in der Altenpflege und 20 Jahren davon als Leitungskraft sowie als Betroffene mit Genesung, können alle von meinem reichhaltigen Erfahrungsschatz profitieren. Ich teile das sehr gern.

Artikel zum Hören

Lerne was du tun kannst, um deine Belastungen in der Pflege mildern und die Freude im Beruf wieder findest, die du dir schon so lange gewünscht hast.

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Eine Antwort zu „So können Pflegeeinrichtungen mit dem Helfersyndrom umgehen”.

  1. Avatar von Das Helfersyndrom in der Altenpflege: Wenn kümmern zur Belastung wird – Die Altenpflege stark machen

    […] In einem weiteren Blogartikel schreibe ich welche Folgen das Helfersyndrom in Einrichtungen haben kann und wie die Organisation im Allgemeinen und die Führungskräfte im Speziellen einen guten Umgang mit diesem Thema finden können. Sie finden ihn hier. […]

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