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Das Helfersyndrom in der Altenpflege: Wenn kümmern zur Belastung wird

Du kennst das: Wir verbieten uns nein zu sagen, legen viele extra Schichten ein, wenn die Hütte brennt und kommen auch mit Rückenschmerzen arbeiten, weil sonst keiner da ist. Das alles ist richtig und gut und wirklich aller Anerkennung wert. Doch verschwimmt allzu oft auch die Grenze zwischen Hingabe und Aufopferung. Und es wird dann Zeit zu handeln, wenn du beginnst darunter zu leiden. Denn unter dem übermäßig altruistischen Verhalten steckt oft das Helfersyndrom. Das ist ein weitverbreitetes Phänomen in der Altenpflege und kann weitreichende Auswirkungen haben. In diesem Artikel erfährst du, was du darunter verstehen kannst, wie es sich zeigt und natürlich, was du konkret tun kannst, um die Belastungen zu mildern.

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Was ist das Helfersyndrom

Das Helfersyndrom, auch bekannt als Helper-Syndrom oder „die Sucht gebraucht zu werden“, beschreibt ein übermäßiges Bedürfnis, anderen zu helfen, oft auf Kosten der eigenen Bedürfnisse und Grenzen. In der Altenpflege äußert es sich in einer fast zwanghaften Sorge um das Wohl der Pflegebedürftigen, oftmals auch um das Wohl der Kollegen im Team, häufig verbunden mit dem Gefühl, dass es nie reicht. Altenpflegerinnen und Altenpfleger mit einem ausgeprägten Helfersyndrom setzen ihre eigenen Bedürfnisse und Gesundheit hinten an, um den Menschen in ihrer Obhut gerecht zu werden.

Anzeichen des Helfersyndroms bei Altenpflegern

Wie erkennst du nun, ob du selbst oder Kollegen vom Helfersyndrom betroffen sind? Hier sind einige häufige Anzeichen:

  1. Übermäßige Selbstlosigkeit: Der Wunsch zu helfen geht über normale Fürsorge hinaus. Pflegerinnen und Pfleger setzen sich ständig selbst unter Druck, noch mehr für die Pflegebedürftigen zu tun, selbst wenn sie bereits überlastet sind.
  2. Schuldgefühle und Selbstkritik: Jeder Moment der Entspannung wird von Schuldgefühlen begleitet. Die Gedanken kreisen ständig darum, ob man genug getan hat, ob man besser hätte helfen können.
  3. Erschöpfung und Burnout: Das ständige Übergehen der eigenen Grenzen führt unweigerlich zu Erschöpfung und Burnout. Der Akku ist leer, aber der Pfleger/die Pflegerin findet keine Ruhe, weil sie sich als unersetzlich sieht.
  4. Schwierigkeiten, Nein zu sagen: Das Helfersyndrom zeigt sich auch darin, dass es schwerfällt, Hilfe abzulehnen oder Grenzen zu setzen. Man möchte für alle da sein, selbst wenn es nicht mehr gesund ist.

Das Menschliche am Helfersyndrom

Das Helfersyndrom hat tiefe entwicklungspsychologische Wurzeln. Helfen ist im vorliegenden Fall die einzige Möglichkeit Anerkennung, Liebe und Erfüllung zu spüren. Es ist die Kompensation einer Kränkung oder auch die Häufung von Kränkungen an Kindertagen. Es ist die kreative Lösung des kleinen Kindes und sicherte dir das emotionale Überleben in deiner sozialen Umgebung. Deswegen ist es sehr nützlich und per se nicht falsch – eher sehr wertvoll. Die Grenze liegt kurz vorm Herzinfarkt, vor der Depression oder kurz vor dem Burnout. Sie verläuft individuell und manches mal sogar situationsabhängig. Kein Lehrbuch, kein Therapeut – keiner kann dir sagen wo deine Grenze liegt. Ich sage immer: Die Grenze ist da, wenn das Helfen dich beginnt zu belasten. Wenngleich ich weiß – auch aus eigener Erfahrung – dass es für übermäßig helfende Menschen zu Beginn ihrer Genesungsreise nahezu unmöglich ist, herauszufinden wo die Freude aufhört und die Belastung anfängt.

Nach meiner Beobachtung stammen viele Kollegen mit einem vermeintlichen Helfersyndrom aus einem Elternhaus, in dem ein Elternteil abwesend war. Vater oder Mutter hat viel gearbeitet, die Eltern waren getrennt, ein Elternteil war depressiv oder suchtkrank. Oftmals war der andere Elternteil emotional abwesend, nicht greifbar, eher rational und sehr leistungsorientiert. Schließlich galt es das Leben am Laufen zu halten und das Überleben zu sichern. Also wurde alles abgetrennt, was anstrengend war: Gefühle zu aller erst. In diesem Umfeld wuchs das Kind nun heran, das schnell das Gefühl haben musste nicht um seiner selbst geliebt zu werden, sondern nur wegen seiner Verhaltensweisen. Welche Verhaltensweisen das waren, passte das Kind an die idealisierten Vorstellungen der Bezugspersonen an. So bekam das Kind das Gefühl für das, was es macht, geliebt zu werden. Dafür musste es eigene Gefühle, Bedürfnisse und Eigenschaften zuerst vernachlässigen und im Verlauf völlig abtrennen, verraten und verleugnen. Und gerade wegen der Verdrängung entsteht eine tiefe Kränkung, die wegen seiner Relevanz und seiner Größe zu einem unersättlichen Bedürfnis wird: Das Bedürfnis geliebt, gewertschätzt und anerkannt zu werden.

So haben viele von uns gelernt: Wenn ich helfe, wenn ich mich um andere Bedürfnisse kümmere, dann bekomme ich Liebe und Anerkennung. Und sind wir doch mal ehrlich: Das ist sogar gesellschaftlich gewünscht. Helfende Berufe wie der des Altenpflegers leben von der eigenen Persönlichkeit. Das ist das wichtigste Instrument bei der Arbeit von Menschen für Menschen. Und die Grenzen ihrer Belastbarkeit und Flexibilität sind zugleich die Grenzen des Handelns. Darum gibt es im Wesentlichen den Personalmangel und darum haben die Gesellschaft, Politik und auch Arbeitgeber eher ein Interesse daran die Grenzen aufzuweiten, in dem sie die Psychodynamik des Helfersyndroms befeuern und die Betroffenen in diesem toxischen Feld belassen. Wo kämen wir denn auch hin, wenn alle Pflegekräfte plötzlich auf ihrer Bedürfnisse achten würden. Ich glaube, dass es bessere Wege aus der Pflegemisere gibt.

In einem weiteren Blogartikel schreibe ich welche Folgen das Helfersyndrom in Einrichtungen haben kann und wie die Organisation im Allgemeinen und die Führungskräfte im Speziellen einen guten Umgang mit diesem Thema finden können. Sie finden ihn hier.

Im Newsletter gehe ich auf fünf konkrete Merkmale ein, die Menschen mit einem Helfersyndrom ausmachen. Abonniere meinen Newsletter (du kannst ihn jederzeit wieder abbestellen), um mit dem Thema am Ball zu bleiben. Mit dem Newsletter schicke ich auch gern weiterführende Inspirationen oder Übungen mit, die dich in deinem Pflegealltag unterstützen können.

Gefahren des Helfersyndroms im Pflegealltag

Das Helfersyndrom mag zunächst als lobenswert erscheinen, doch birgt es eine Vielzahl von Gefahren, nicht nur für die Pflegenden selbst, sondern auch für die Qualität der Pflege:.

  • Eigene Gesundheit: Die ständige Vernachlässigung der eigenen Bedürfnisse führt zu körperlicher und emotionaler Erschöpfung. Langfristig kann dies zu psychosomatischen Beschwerden wie Magenschleimhautentzündungen, Kopfschmerzen, schmerzhafte Verspannungen und Schlafproblemen führen. Darüber hinaus auch zu ernsthaften gesundheitlichen Problemen wie Burnout und Depressionen.
  • Qualität der Pflege: Wenn Pflegende erschöpft und überlastet sind, leidet zwangsläufig auch die Qualität der Pflege. Fehler können passieren, die Aufmerksamkeit für die Bedürfnisse der Pflegebedürftigen lässt nach, und die emotionale Verbundenheit geht verloren.
  • Beziehung zu den Pflegebedürftigen: Viel unbewusster und auch paradox ist häufig das Konfliktpotenzial zwischen dem Helfenden und dem Bedürftigen. Hier brechen sich unbewusste Dynamiken Bahnen, die im Alltag immer wieder zu Beschwerden und Problemen führen.

Was kannst du tun, damit es besser wird?

Menschen mit einem Helfersyndrom haben keinen Fehler. Die Herausforderung ist, dass die unbewusste Ziele der Systematik des Helfens den Betroffenen in seiner Existenz sichert. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass jede Belehrung und von außen angetragener Veränderungswunsch abgeschmettert wird. Daher geht der Weg nur über den eigenen, intrinsischen Antrieb. Es erfordert Mut und Übungen Veränderungen vorzunehmen und nachhaltig zu integrieren. Du solltest dir selbst erlauben neue, günstigere Erfahrungen zu machen. Es kann nicht das Ziel sein, das Helfersyndrom auszurotten, zu heilen oder weg zu machen. Ich wünsche dir, dass du – vielleicht ähnlich wie ich oder zumindest inspiriert von mir – einen Weg findest dich um andere zu kümmern und dich auch ab und zu, vielleicht ein ganz kleines bisschen und nur so zwischendurch auch mal um dich selbst kümmerst. Hier sind einige Schritte, die du unternehmen kannst, um das Helfersyndrom bewusst werden zu lassen und neue Handlungsmöglichkeiten zu finden:

  • Selbstreflexion: Komm dir selbst auf die Spur. Woher kommst du? Wofür wurdest du als Kind geliebt? Was tut noch heute weh? Und was hat das mit meinem heutigen Leben zu tun? Stelle eine Verbindung zu deinem Körper her, lerne wahrzunehmen, was du wirklich fühlst und was du wirklich willst. Welche Bedürfnisse kannst du entdecken? Was ärgert dich konkret in deinem Berufsalltag? Was lehnst du an Bewohnern, Angehörigen, Kollegen und Vorgesetzten ab?
  • klitzekleine Grenzen setzen: Erlaube dir kleine, mikroorganische Abgrenzungen umzusetzen und nimm wahr, was es in dir auslöst. Jeder erwartet, dass du selbstgebackenen Kuchen zum Teamgespräch mitbringst? Bring mal gekaufte Plätzchen mit. Und erfreue dich an der gewonnenen Zeit.
  • Austausch und Unterstützung: Der Beruf der Altenpflege ist herausfordernd, und es ist wichtig, sich mit Kollegen auszutauschen und Unterstützung zu suchen. Supervisionen oder Gespräche mit psychologischen Fachkräften können helfen, einen guten Umgang mit den Belastungen zu finden. Rotte dich mit anderen Helfern zusammen, probiert gemeinsam neue Wege und inspiriert und motiviert euch gegenseitig, wenn ihr wieder was geschafft habt.

Fazit

Das Helfersyndrom in der Altenpflege ist ein ernstzunehmendes Thema, das die Gesundheit und die Qualität der Pflege beeinträchtigen kann. Es durchzieht das ganze Pflegesystem und wird daher eher akzeptiert, was es deswegen nicht besser macht. Du selbst hast die Möglichkeiten vorsichtig andere, neue Wege zu wagen. Das wird dir am besten mit einer guten Begleitung und einem Austausch mit Gleichgesinnten gelingen.

Auch Arbeitgeber und Vorgesetzte selbst tun sich selbst einen Gefallen, sich des Themas anzunehmen und Handlungsstrategien zu finden, zumindest die Dynamik nicht weiter zu befeuern und damit zu helfen sich krankhaft zu verfestigen. Wie das Gelingen kann, beschreibe ich in einem weiteren Blogartikel, der dieser Tage online geht.

Wenn du dich als labil empfindest und bereits Veränderungen mit Krankheitswert erkennst, vertraue dich deinem Hausarzt an oder hole dir anderweitige professionelle Unterstützung. Zum Beispiel hier.

Artikel zum Hören

Lerne was du tun kannst, um deine Belastungen in der Pflege mildern und die Freude im Beruf wieder findest, die du dir schon so lange gewünscht hast.

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Eine Antwort zu „Das Helfersyndrom in der Altenpflege: Wenn kümmern zur Belastung wird”.

  1. Avatar von So können Pflegeeinrichtungen mit dem Helfersyndrom umgehen – Die Altenpflege stark machen

    […] Weitere Erläuterungen über das Helfersyndrom finden sie in meinem Fachartikel hier. […]

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