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Sind Altenpfleger Opfer des Pflegenotstandes?

Findest du auch manchmal, dass es dir besser gehen würde, wenn die anderen sich endlich mal anders verhalten würden? Wenn die PDL endlich mal anständige Dienstpläne schreiben würde? Deine Kollegen endlich mal das machen würden, wofür sie bezahlt werden? Und die Politik endlich mal die Rahmenbedingungen vorgibt, die eine bessere Pflege möglich machen?

Dann könnte es sein, das du dich in einer s.g. Opferhaltung befindest. Was das für deinen Alltag bedeutet, wie sie entsteht und wie du da wieder raus findest, darüber schreibe ich in diesem Artikel.

Zu aller erst einmal: Wenn du dich gerade im Text wieder gefunden hast, bist du in gute Gesellschaft. Die Mehrheit von uns befindet sich in einer Opferhaltung. Es ist also nichts tragisches, nichts verwerfliches und nichts abartiges. Es ist menschlich. Und gehört damit zu uns. Basta.

Die Opferhaltung ist uns nicht bewusst

Die Opferhaltung ist den wenigsten bewusst. Wenn in meinen Workshops in Teams lang und breit erzählt wird, warum der Pflegedienstleiter völlig unfähig ist und wie unmotiviert man nur noch zum Dienst kommen würde, dann antworte ich meistens:

Es folgt dieselbe Diskussion, die gerade in deinem Kopf stattfindet. Verwirrung und Ablehnung (wer möchte schon Opfer sein). Nein?! Wieso soll ICH was ändern, wenn der andere ein Blödmann ist? Ich erkläre es dir.

Dein Leben ist so wie du es denkst

Deine Opferhaltung entsteht in DEINEM Denken. Und zwar in den unbewussten Gedanken – also denen, die du gar nicht bemerkst. Es denkt dich quasi. Wenn du daran glaubst, dass andere Menschen über unser Leben bestimmen, dass andere Menschen dafür verantwortlich sind, dass es dir nicht gut geht, du leidest und nicht glücklich bist, dann ist das ein Irrtum. Denn im Laufe unseres Lebens haben wir verlernt, dass wir alle von Natur aus ausgestattet sind, unser Leben selbst zu gestalten. Von Geburt an, haben wir alles dabei, was es braucht, dass wir unser Leben so einrichten können, dass es uns gut geht, dass wir zufrieden sind und lebendig.

Und das mit den Gedanken ist echt ein wenig tricky. Deine unbewussten Gedanken verursachen ein Blick auf dein Leben und dein Erleben, den du Realität nennen würdest. Diese Realität verursacht Gefühle. Und diese Gefühle finden ihren Ausdruck in deinen Worten und deinen Taten.

Was denkst du über…? – So fühlst du dich. -So handelst du.

Also auch wenn du deinem Ärger über einen Kollegen lauthals Ausdruck verleihst, dann ist das eher eine Aussage wie Du auf diese Welt blickst. Gedanken, vor allem die unbewussten, schaffen also deine Lebenswirklichkeit. Egal ob die angenehm oder unangenehm ist. Und so denken die meisten von uns, dass die Politiker schuld sind, weil sie sich nicht ausreichend um das Thema Pflege kümmern, die Gesellschaft nicht erkennt wie wichtig wir sind, die Arbeitgeber immer noch ausbeuten und die Pflegedienstleitungen unfähig sind. Und sie alle tragen die Schuld daran, dass viele von uns unsäglich erschöpft sind, nicht schlafen können, krank zur Arbeit kommen müssen, nie nein sagen dürfen, zehn Bewohner in zwei Stunden pflegen müssen, mit immer weniger Personal aushalten müssen, Teildienste schieben müssen, den Geburtstag des eigenen Vaters wieder mal nicht mitfeiern zu können, weil man Dienst hat und keiner von den ach so lieben Kollegen nicht bereit war zu tauschen. Ich könnte diese Liste nahezu unendlich fortschreiben. Denn in der Opferhaltung, in unserem Denken suchen wir einen Schuldigen für das eigene kraftzehrende Leben, dass so unsäglich belastet ist und sich einfach nur schwer anfühlt.

Also nochmal. Du nimmst unbewusst eine Opferhaltung ein, weil du anderen die Verantwortung gibst und sie verurteilst. Du gibst ihnen die Macht über deine Befindlichkeit und dein Leben zu bestimmen. Dann bist du von ihnen abhängig. Und das bedeutet gleichzeitig, dass du dich selbst in eine Ohnmacht bringst und deine Handlungsfähigkeit abgibst.

Die Opferhaltung ist Mainstream

Opfer ist Mainstream. Es ist gesellschaftlich anerkannt uns sehr weit verbreitet. Auch in der Pflege. Darum der Erfolg von Ricardo Lange, der aus meiner Sicht kaum etwas anderes tut, als anzuklagen. Und so kommt es vor, dass Kollegen, die die Opferhaltung bereits hinter sich gelassen haben, als Außenseiter oder Nestbeschmutzer wahrgenommen werden. Und darum auch kommen so viele Menschen nicht in die Pflege: Sie wollen sich nicht aufgeben und trotzdem dazu gehören. Es ist also höchste Zeit für eine Entwicklung.

Wenn du also glaubst, dass deine Unzufriedenheit in der Pflege vom Pflegenotstand kommt, von der Untätigkeit der Politiker, von den Fehlentscheidungen des Trägers und von der unfähigen Pflegedienstleitung, vielleicht aber auch von den ständig klingelnden Bewohner*innen und den ständig fordernden Angehörigen, dann lehnst du deine Verantwortung für deinen eigenen Zustand ab.

Wir stecken noch in den Kinderschuhen

Nochmal: Das ist recht menschlich. Denn diese Haltung kommt noch aus deinen Kindertagen. Da warst du ja abhängig physisch und psychisch von deinen Eltern und Bezugspersonen. Oft genug hast du dich ohnmächtig gefühlt, nämlich immer dann, wenn deine Mutter oder dein Vater eine andere Entscheidung getroffen hat, die so gar nicht deinen Vorstellungen entsprach. Dieses Denken hat die ganzen Kinderjahre Zeit sich in dein Hirn zu fräsen. Immer tiefer. So dass diese Haltung völlig normal wurde.

Heute im Erwachsenenalter macht sie uns dann ständig scheinbar unlösbare Probleme. „Mein Mann tut nichts für unsere Ehe“; „Mein Sohn macht nie, was ich sage und raubt mir die letzte Kraft.“; „Nie komme ich irgendwo an. Ständig wechsle ich meinen Arbeitgeber und muss dann feststellen: Die nehmen sich alle nichts.“; „Immer bekomme ich die blödesten Kollegen. “ sind oft Anliegen, mit der Menschen zu mir in die Beratung kommen. Ihnen zugrunde liegt fast immer eine grundlegende unbewusste Blockade: Wir stecken mit unserem Denken immer noch in den Kinderschuhen. Wir haben uns nie bewusst dazu entschieden endlich mal erwachsen zu sein.

Was kannst du also tun, um dieser Ohnmacht, dem Ärger und der Wut mal etwas anderes entgegenzusetzen? Etwas, was dir gut tut? Etwas, was deine Belastung mildert?

Lösung 1: der magische Satz

In meinen Beratungen erarbeiten wir fast immer einen magischen Satz. Das ist ein Satz, der eigentlich einen ganz neutralen Inhalt hat, emotional aber wirkt, weil der Mensch den Inhalt nicht glauben kann oder der gar nicht seiner erlebten Realität entspricht. Also sowas wie „Bücher kann man lesen.“ Das würde sofort deine Zustimmung finden. Na klar kann man Bücher lesen.

Anders ist das Mit Sätzen wie „Mein Leben gehört mir.“ oder „ich bin ein erwachsener Mann/ eine erwachsene Frau.“

Mein Leben gehört mir!

Denke dich mal in eine Situation, in der du dich über jemanden geärgert hast. Fühl dich nochmal richtig rein. Wo war das? Welchen Anlass gab es? Wie waren deine Gefühle in dem Moment? Und nun sag laut den Satz „Mein Leben gehört mir!“ Was passiert dann? Welche Gedanken kommen dir? Ich will gar nicht beschreiben, was die Menschen aus meiner Beratung davon erzählen. Aber probiere es aus und nimm den Satz mit in deinen Dienst. Und immer, wenn du dich ärgerst über Kollegen, Bewohner, Chefs, Ärzte usw. denke STOPP! und frage dich, was der erwachsene Teil in dir jetzt tun würde. Und dann tu mal das.

Lösung 2: Wozu und trotzdem

Weniger tiefgreifend und dennoch genauso wirksam ist es, sich in Momenten der Ohnmacht und des Gefühls des Ausgeliefertseins die Frage zu stellen:

Wozu fordert mich das heraus? Was kann ich jetzt trotzdem tun, damit es mir besser geht?

Diese Frage holt dich sofort und ohne coaching immer wieder aus der unbewussten Opferhaltung heraus und veranlasst dich dazu, etwas zu tun, womit du deutlich positiver gestimmt sein wirst.


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