Blogverzeichnis Bloggerei.de - Jobblogs

Sag mal Annett…

Eine Kollegin fragte mich neulich: „Sag mal Annett. Wie schaffst du es eigentlich immer so positiv zu bleiben?“ „Ja genau! Erzähle doch mal wie du das hinbekommst.“ stimmten weitere mit ein. Du bist immer so positiv, deine Posts bei Facebook und Instagram sind immer so inspirierend und leicht. Da könnte man glatt neidisch werden. „Ja und nach einem Dienst mit vielen Notklingeln, stehst du immer noch da mit deiner guten Laune, versprühst Lebendigkeit und oft hörst du uns auch noch zu. Wie geht das?“

Puh. Die Frage war auf den ersten Blick nicht so leicht zu beantworten. Innerlich lachte ich „Na Annett? Was sagst du jetzt?“

Was sagst du jetzt,

  • ohne, dass die Kollegen kalte Füße bekommen
  • Angst haben, es auch mal zu versuchen
  • Bock haben, etwas zu lernen, was ihnen gut tut
  • Lust bekommen an kleinen Stellschrauben zu drehen, um sich ziemlich schnell im Beruf besser zu fühlen.

Ich begann etwa so: „Na ja… ich habe halt aufgeräumt. All den Scheiß, den ich bisher erlebt habe, aussortiert und verarbeitet.“
Meine innere „Nörgel-Annett“ sprach zu mir: „Aufgeräumt he? Erlebten Scheiß he? Verarbeitet… Ich lache mich schlapp. Das klingt ganz schön nach therapeutischen Krims Krams. Da hat doch keiner Bock drauf! Außerdem hat dein Angebot nichts mit Therapie zu tun. Also fang nochmal neu an!“

Ich machte also weiter: „Na ja also ich handle immer aus meiner Mitte heraus.“
Reaktion meiner inneren Nörgel-Annett: „Aus der Mitte heraus??? Was soll das heißen? Ey Annett – deine Kollegen haben sich wahrscheinlich noch nie mit ihrer eigenen persönlichen Entwicklung auseinandergesetzt. Woher sollen die jetzt wissen, was du mit MITTE meinst? Sie haben noch keine Vorstellung, was du damit meinst, geschweige denn wie man seine Mitte findet und sie dann auch behält! Du solltest vielleicht so etwas von dem Prinzip der Achtsamkeit erzählen. Wie sehr sich einige Dinge entstressen, wenn du das Prinzip erst einmal verstanden hast. Mach sie neugierig Mensch! Du willst doch eine neue Bewegung in der Pflege anzetteln. Die müssen alle Bock haben auf deine Arbeit!“

Meine Kollegin lachte: „Innere Mitte also. A-ha. Und wie findet man die?“ Das konnte ich ihr unmöglich in drei Sätzen zwischen Kaffeetasse und Übergabe sagen. Also sagte ich sowas wie: „Ja das ist gar nicht so einfach!“. Ach blöd…

Die Frage selbst und wie eine gute Antwort darauf aussehen konnte, ließ mich jedoch nicht los. Ich rief meine „Beobachter Jenny“ auf den Plan. Sie ist von mir höchstpersönlich darin geschult, mit glasklarem Verstand Situationen, die ich erlebe zu beobachten und auseinander zu druseln. Das ist echt nützlich, wenn man etwas über sich selbst lernen will. Zum Beispiel warum man plötzlich so verärgert ist oder warum man immer dasselbe tut, obwohl man es endlich mal anders machen möchte. Also gab ich Beobachter Jenny den Auftrag mal genau zu beobachten, was genau ich denn eigentlich denke, fühle oder tue. Und was genau davon mich in so eine positive Grundstimmung verweilen lässt.

Die Tage vergingen. Ah ich glaube ich hab’s: Weil ich jeden Tag vollständig neu betrachte. Weil ich weiß, dass alles, was gestern und davor geschah vorbei ist. Keine Situation wird jemals genau gleich sein. Sie sind immer nur ähnlich. Deswegen brauche ich mich über die Dinge von gestern gar nicht mehr aufregen. Denn sie sind unwiederbringlich vorbei. Nichts davon kann ich mehr ändern. Und der neue Tag ist wie ein weißes Blatt. Ich kann das Blatt selbst füllen mit schönen Geschichten, netten und wertvollen Menschen, denen ich heute begegne, Liebe und Verständnis für die menschlichen Reaktionen anderer. Und überhaupt kann ich ihn füllen mit ganz viel Liebe. Das tolle ist: Ich kann nicht wissen, was heute passiert. Ich weiß es einfach nicht. Ja ich habe schon kapiert, dass da Ereignisse in meinem Kalender stehen. Die Teambesprechung zum Beispiel. Gefolgt von einem weiteren Nachtdienst. Aber was sagen denn diese Ereignisse schon? „Oh heute wird es im Team mal krachen!“ früher habe ich oft so etwas gedacht. heute weiß ich: Ich weiß nicht, was passiert oder wie die Stimmung sein wird. Immer wenn wir glauben zu wissen, wie es wird, fußen wir unsere Erwartung auf die Erfahrungen vergangener Teamgespräche. Und dann bekommen wir mental so richtig Stress mit uns selbst. Aber keins ist wie das andere. Die Gespräche sind immer unterschiedlich und nie dieselben. Also kann ich es nicht wissen. Also bleibe ich bestenfalls neugierig und offen für alles, was passiert in der tiefen Gewissheit: Das Leben ist immer für mich! Es liebt mich eben. Darum kann mir gar nichts passieren.

Na ja… Ich glaube das ist auch schon eher eine Übung für Fortgeschrittene. Vielleicht gibt es etwas, was noch einfacher ist?

Sonnenschein. Mein Hund und ich und die weiten Felder des Maifeldes. Ach hier kann ich auftanken. Und schau mal all das Grün! Ich bleibe stehen und atme ein paar mal tief ein und aus. Ich spüre den leichten Sommerwind und die warme Sonne in meinem Gesicht. Ich höre die Feldhühner piepen und in der Ferne einen Traktor. Ich bemerke, dass ich gerade wunderbar runterkomme und gebe in Gedanken all den Stress und die Belastungen ab an die Erde. Ich stehe fest mit ihr verbunden und ich schicke alles durch meine Beine und die Füße in die Erde. Das mache ich wie ein kleines Kind. Ich mache ein Fantasiespiel daraus. Und die Erde kann den Ballast gut aufnehmen. Sie trägt uns alle. Immer und ohne Ausnahme und sie ist wie eine Mutter zu uns.

Ja das ist es! Meine tägliche Portion Natur. Dieses bewusste Verbinden und spüren. Aha. Und das ist jetzt der Weisehits letzter Schluss? Nein eigentlich nicht. Ach es gehören unfassbar viele Gedanken, Einstellungen, Gefühle dazu. Kann man das eigentlich so auf einen Punkt bringen?

Ein paar Tage weiter bin ich beim Gesangunterricht. Schon auf der Fahrt dorthin spüre ich wie schwer es mir ums Herz wird. So viel dazu ich sei immer positiv. Ja grundsätzlich bin ich stets positiv. Das bedeutet aber nicht, dass ich keine Probleme und Belastungen habe. Ich stellte das Autoradio aus, damit Beobachter Jenny genauer hören konnte, was ich dachte und warum mein Herz so schwer wird. Sie hörte so was wie „Mit dieser Krankheit kannst du sowieso nie richtig schön singen! Also was willst du jetzt beim Unterricht? Du musst ihr sagen, dass du aufhören musst.“ „Habe ich dir doch gleich gesagt, dass das mit dem Singen nichts wird.! Es gibt einfach keine Singtechnik, in der du verbergen kannst, dass du kurzatmig bist.“ Ach so daher wehte der Wind. Vor ein paar Wochen bekam ich die Diagnose COPD. Noch nicht sehr weit fortgeschritten, aber dennoch in meinem Alltag deutlich spürbar. Deswegen war ich ja beim Arzt. Und wenngleich ich es ahnte, weil ich einfach nach 35 Jahren zum Teil extremen Tabakmissbrauchs nichts anderes erwarten konnte, ereilt mich hin und wieder eine Traurigkeit darüber.

Ah jetzt habe ich die Antwort auf meine Frage: Ja ich habe auch so genannte negative Gefühle, doch ich lege dieses Gefühl nicht mehr auf mein Leben sondern lass es bei dem Thema was es auslöst. Das bedeutet: Ich kann voller Energie und durchaus positiv sein, wenn ich einen Bewohner pflege. Und doch kann ich auch gleichzeitig traurig sein, wenn ich an die Einschränkungen denke, die meine Krankheit irgendwann mit sich bringen wird. Und dann komme ich wieder zum ersten Punkt: Ich weiss es nicht. Ich weiß nicht, wie sich alles entwickeln wird. Ob ich mit 60 den Sauerstoff brauche oder doch erst mit 83. Ich weiß es einfach nicht. Mir die Zukunft ausmalen, wird mich unnötig beschweren. Also lasse ich es bleiben.

Zudem kann ich ja alles tun, um mich dennoch gut und fit zu fühlen. „Ahhhh!!!“ rief Beobachter Jenny! Das ist es! Das ist, warum du nie den Mut verlierst, warum du auch bei Problemen und Belastungen gelassen bleibst warum du so viel gute Energie hast: Ich selbst habe es in der Hand, was ich aus meinem Leben mache. Keiner hat so viel Macht über mich, mir zu bestimmen, wie ich mich zu fühlen habe, was ich denken muss oder wie ich mein Leben gestalten soll. Weder bewusst noch unbewusst. Und das gilt nicht nur für das Leben sondern für jeden fucking einzelnen Moment. In jeder Situation. Während jedem Ärger über unerledigte Dinge, freche Angehörige und strenge Vorgesetzte. Ich selbst entscheide mich wie ich mich dazu stelle. Und glaube mir jeder Ärger über andere ist ein wahres Geschenk deiner Psyche an dich selbst. Alles macht endlich Sinn. Du kannst aufhören, andere erziehen zu wollen, am Gras zu ziehen, andere ändern wollen, Situationen weg haben zu wollen nur damit du dich ein einziges Mal erleichtert fühlen kannst und positiv bist. Und das allein spart dir so viel Energie! Ja das ist der wahre Gamechanger.

Ich kann mich noch sehr genau daran erinnern. Der Moment, in dem ich verstanden habe, dass ich mich nicht länger anstrengen muss, anderen beizubringen was sie zu tun oder zu lassen haben. Sie machen eh was sie wollen. Ich brauche mich nur um mich selbst zu kümmern, um endlich mal entspannt zu sein, glücklich vielleicht sogar, begleitet von einer riesen Portion Hoffnung, Zuversicht, Mut und Positivität.

Wenn du Lust hast, dich noch viel mehr und viel persönlicher inspirieren zu lassen, um zu lernen, was du tun kannst, damit du wieder positiver gestimmt bist auch in deinem Beruf, dann komm zum Treffpunkt Pflege. Wir treffen uns einmal monatlich online, ab etwa 5 Interessenten aus meiner Gegend auch offline. Die Treffen sind eine Mischung aus einer aktiven Entspannung, dem Lernen neuer Sichtweisen und der gemeinsamen Lösung von individuellen Problemen im Kontext der Pflege. Wir können über Herausforderungen sprechen, konkrete Situationen und Probleme, die du bei deiner Stelle hast. Melde dich einfach bei mir.

Schreib mal in die Kommentare welche belastenden Erfahrungen am Ende doch auch etwas positives hatten. Teile deine Momente mit uns.


Posted

in

by

Tags:

Comments

Eine Antwort zu „Sag mal Annett…”.

  1. Avatar von romanfidel

    Salut Annett, WP hat Dich vor meine Tür gepustet, und ich muß sagen, Du machst das, was Du machst, gar nicht so schlecht, wenn ich von Kleinigkeiten wie die Kretinschreibreform absehe. Allerdings zähle ich mich zu denen, die sich nichts sagen lassen. Ich will nur Deiner Bitte im letzten Satz nachkommen. Meine belastenden Erfahrungen, die am Ende etwas Positives hatten, und zwar ausschließlich Positives, bestanden im ständigen Umgang mit Dummen. Vor fast zehn Jahren bin ich auf und davon. Und noch immer im Vorruhestand. Mein Blog wird Dir nicht gefallen, aber ich kann Dir sagen, als Pflegerin mußt Du Dich auch gar nicht angesprochen fühlen, wenn ich mich über Trottel und Kretins echauffiere, das macht mir einfach Spaß 😉 Halt Dich wacker! Salut RF

    Like

Hinterlasse einen Kommentar